Brit Milah beziehungsweise Taufe

Ritual für das Leben: Brit Milah beziehungsweise Taufe.


Eine jüdische Stimme

Kurzfassung

Der Bundesschluss Gottes mit Abraham wurde durch die Beschneidung bekräftigt, und zwar als ewiger Bund für alle kommenden Generationen. Am achten Lebenstag soll jedes männliche Kind beschnitten und so in den Bund zwischen Gott und dem Volk Israel eingeführt werden. Falls der Säugling nicht völlig gesund ist, erfolgt die Brit Milah („Bund der Beschneidung“) zu einem späteren Zeitpunkt. Teil dieses Rituals ist auch die Namensgebung und eine Festmahlzeit. Der Akt der Vorhautentfernung wird durch einen Mohel, einen dafür ausgebildeten Spezialisten, vorgenommen.

In jüngster Zeit sind auch für Mädchen Zeremonien entwickelt worden, mit der die Eltern ihre Tochter festlich willkommen heißen und sie in Gottes Bund mit Abraham eintreten lassen. Das erfolgt nicht mittels eines körperlichen Bundeszeichens, sondern durch die Rezitation von Segenssprüchen und Bibelversen sowie durch die Namensgebung. Gleich ob Junge oder Mädchen, allen Kindern wünschen die Festtagsgäste, dass sie nach dem Eintritt in den Bund auch an die Torah, an die Gründung einer jüdischen Familie und an das Tun guter Werke herangeführt werden mögen.

– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg


Langfassung

„Und Gott sprach zu Abraham: Du aber sollst meinen Bund bewahren, du und deine Nachkommen nach dir, Generation um Generation. Dies ist mein Bund zwischen mir und euch und deinen Nachkommen nach dir, den ihr bewahren sollt: Alles, was männlich ist, muss bei euch beschnitten werden. Am Fleisch eurer Vorhaut müsst ihr euch beschneiden lassen. Das soll geschehen zum Zeichen des Bundes zwischen mir und euch. Alle männlichen Kinder bei euch müssen, sobald sie acht Tage alt sind, beschnitten werden in allen euren Generationen (…). So soll mein Bund, dessen Zeichen ihr an eurem Fleisch tragt, ein ewiger Bund sein. Ein Unbeschnittener, eine männliche Person, die am Fleisch ihrer Vorhaut nicht beschnitten ist, soll aus seinem Volk getilgt werden. Er hat meinen Bund gebrochen.“ (Gen 17, 9-14)

Die Beschneidung gehört zu den ersten Geboten, die in der Torah aufgeführt werden. Sie ist das körperliche Zeichen für den Bund, den Gott mit Israel geschlossen hat. Männliche Säuglinge werden an ihrem 8. Lebenstag beschnitten, auch wenn dieser auf einen Schabbat oder einen Feiertag fällt. Falls gesundheitliche Bedenken bestehen, weil das Baby krank oder schwach ist, wird die Beschneidung verschoben und zu einem günstigeren Zeitpunkt vorgenommen.

Die Pflicht, das Kind beschneiden zu lassen, obliegt laut der Halachah dem Vater, der aber den Vollzug dem Mohel, einem eigens dafür ausgebildeten Beschneider überträgt. Bei der Zeremonie holt der Kvatter oder die Kvatterin (Pate bzw. Patin) das Kind von der Mutter ab und trägt es in den Raum, wo die Beschneidung stattfindet. Dort wird es dem Vater übergeben, der es dem Sandak auf den Schoß legt. Das ist eine Person aus der Familie oder der Gemeinde, die damit beehrt wird, das Kind während der Beschneidung zu halten. Dazu sitzt er auf oder neben dem „Stuhl des Propheten Elias“, einem besonders dekorierten Stuhl oder Doppelsitzer, denn nach jüdischer Tradition kündet der Prophet Elias die Erlösung an, seine Gegenwart und sein Schutz werden in schwierigen Situationen angerufen. Der Mohel verliest einige Bibelverse, dann sagt der Vater den Segensspruch: „Hiermit bin ich bereit, das Gebot zu erfüllen, das mir der Heilige, gesegnet ist er, aufgegeben hat, nämlich meinen Sohn zu beschneiden.“ Der Mohel spricht den Segensspruch über den Vollzug der Beschneidung und nimmt diese vor. Dem Kind ist zuvor ein Tropfen süßer Wein verabreicht worden, den es vom Finger lutscht und dadurch abgelenkt ist. Dann sagt der Vater den Lobpreis dafür, dass Gott ihm geboten hat, seinen Sohn in den Bund Abrahams eintreten zu lassen. Die Anwesenden antworten darauf mit „Amen“ und wünschen dem Kind: „So wie er in den Bund eingeführt wurde, soll er auch zur Torah, zur Chuppah (Traubaldachin) und zu guten Werken herangeführt werden“. Auch Gott wird gepriesen, der den Bund schließt.

Anschließend folgt die Namensgebung: Der hebräische Name des Kindes mit Namen des Vaters oder der Eltern wird verkündet. Dann wird ein Segen über das Kind gesprochen. Mohel und Mutter versorgen das Kind, während sich die Gäste zu einer Festmahlzeit niederlassen. Beim Tischgebet werden der Vater bzw. die Eltern, der Sandak und der Mohel mit eigenen Segenswünschen geehrt. Im übrigen müssen sich auch Jungen und Männer, die zum Judentum übertreten, der Brit Milah unterziehen.

Und was ist mit Mädchen? Das körperliche Zeichen des Bundesschlusses bezieht sich ja ausschließlich auf Jungen. In Deutschland ist das Wort „Beschneidung“ immer wieder in Bezug auf Mädchen zu hören. Dem muss entschieden entgegengetreten werden: Bei den dabei gemeinten Praktiken handelt es sich um Genitalverstümmelung, für die es im Judentum keinen Platz gibt. Wenn aber das Bundeszeichen bei Mädchen nicht an ihrem Körper sichtbar gemacht wird, welche Formen gibt es dann, um ihre Aufnahme in den Bund zwischen Gott und Israel zu feiern?

In der Tat gibt es dafür traditionell keine Zeremonie mit Ausnahme der Namensgebung, die der Vater am Schabbat nach der Geburt in der Synagoge, aber in weit weniger festlichem Rahmen vornahm. In den letzten Jahrzehnten ist es aber üblich geworden, der Wertschätzung von Mädchen und Frauen sowie der großen Freude über Nachwuchs Ausdruck zu verleihen, indem auch die Töchter in einem eigenen festlichen Ritual in den Bund zwischen Gott und Israel eingeführt werden. Diese Zeremonie wird meist „Simchat Bat“ („Freude über die Tochter“) oder „Sewed HaBat“ („Geschenk der Tochter“) genannt. Sie hat noch nicht einen so klar vorgegebenen Zeitpunkt und Ablauf wie die Brit Milah, aber auch sie heißt die neue Erdenbürgerin freudig willkommen und feiert die Fortführung des Bundes in der nächsten Generation. Analog zur Beschneidung sagen die Eltern einen Segensspruch über das Gebot, ihre Tochter in den Bund Gottes mit Israel einzuführen. Und auch hier antworten die Anwesenden mit dem Wunsch: „Wie sie in den Bund eintrat, möge sie auch an die Torah, die Chuppah und an das Tun guter Werke herangeführt werden.“ Wenn die Feier in der Synagoge stattfindet, wird das Baby mitunter auf einen Tallit auf der Bimah, dem Lesetisch für die Torah, gelegt, dabei ist es umrahmt von Bonbons als Symbol für die Süße der Worte der Torah. Häufig werden auch Verse aus der Torah gelesen, zum Beispiel Deut 29, 9-14, die davon handeln, dass ganz Israel, Männer, Frauen und Kinder, gegenwärtige und zukünftige Generationen, in den Bundesschluss einbezogen sind. Oder auch Jer 31, 32: „Denn dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel schließe. Nach jenen Tagen, ist der Spruch des Ewigen, werde ich meine Torah in ihr Inneres legen und sie auf ihr Herz schreiben. Ich werde ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.“ Das Kind und die Eltern werden gesegnet und mit guten Wünschen bedacht. Natürlich ist auch die Namensgebung und eine Festmahlzeit Bestandteil dieses neuen Rituals.

Das Ritual der Brit Milah ist immer wieder zum Gegenstand antijüdischer Polemik gemacht worden. Erst in jüngster Vergangenheit wurden in Deutschland Vorwürfe erhoben, die in der Beschneidung einen barbarischen Akt und eine Kindeswohlgefährdung sehen. Die daraufhin entfachte Debatte, deren Auslöser übrigens die Beschneidung eines muslimischen Kindes war, stellte das Recht eines Kindes auf körperliche Unverletztheit in den Vordergrund, dahinter habe die durch die Religionsfreiheit gedeckte Ausübung traditioneller Rituale zurückzustehen. Die Diskussion wurde mit deutlichen antisemitischen Obertönen geführt, die die Beschneidung jüdischer – und muslimischer – Kinder als Körperverletzung und religiöse Indoktrination darstellten. Für Juden ist die Brit Milah ein unveräußerlicher Teil jüdischen Selbstverständnisses, eine jahrtausendelang praktizierte Tradition, die als Gebot der Torah Ausdruck von Gottes Willen ist. Die Religionsfreiheit umfasst auch das elterliche Recht, das Kind beschneiden zu lassen, ein Verbot der Brit Milah würde jüdisches Leben in Deutschland als unerwünscht erklären. Der Bundestag verabschiedete danach im September 2012 ein Gesetz über die Beschneidung von Jungen, das Eltern ausdrücklich das Recht zuweist, eine Brit Milah vornehmen zu lassen. Bis zu einem Alter von sechs Monaten dürfen die von einer Religionsgemeinschaft dafür vorgesehenen und speziell ausgebildeten Beschneider diese Operation vornehmen, danach nur noch Mediziner in einer ärztlichen Praxis.

– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg 


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