Stationen christlichen Lebens

Mit der Geburt eines Menschen beginnt ein Lebensweg, der für Christinnen und Christen zahlreiche Riten umfasst. Deren Sinn liegt sowohl darin, Gemeinschaft herzustellen, als auch eine individuelle Beziehung zu Gott aufzubauen. Im Lauf der Zeit und in verschiedenen christlichen Konfessionen haben sich viele Formen herausgebildet, den Lauf des menschlichen Lebens zu feiern, ihm Sinn zu schenken und eine verbindende Form zu geben.

Mit der Taufe werden Menschen in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen. Denn sie verbindet mit Christus – durch die Taufe wird man in ihm neu geboren. Auf den dreieinen Gott getauft verbleibt die Taufe ein lebenslanges Sigel, das mit Gott und mit der Gemeinschaft der Gläubigen verbindet. Diesem Taufverständnis konnten sich 2007 in der Magdeburger Erklärung mehrere Konfessionen anschließen. Einige Freikirchen wie beispielsweise Baptisten oder Mennoniten ziehen die Gläubigentaufe vor. Dort werden Menschen erst getauft, nachdem sie sich selbst zu Jesus Christus bekannt haben. Alle Taufformen verbindet aber die Anbindung an den christlichen Glauben und das Bekenntnis zu ihm. Die Taufe ist damit nicht nur Ausdruck eines Glaubens, sondern Initiation, Einführung in eine Gemeinschaft. Die Taufe selbst wird deshalb als Fest gefeiert, wobei unterschiedliche Ausprägungen existieren. Ein fester Bestandteil ist das Übergießen mit Wasser oder das Ein- oder Untertauchen in Wasser. Nach der Taufe kommen Familie und Freunde zu einem Fest zusammen. Patinnen und Paten sollen den Täufling auf seinem Lebensweg begleiten.

In Teilen der christlichen Konfessionen haben sich daneben noch Firmung und Erstkommunion als Initiationsriten erhalten. Die Firmung feiert die Versiegelung mit dem Heiligen Geist und die damit einhergehende Mündigkeit innerhalb der Gemeinde. Die Erstkommunion oder Ersteucharistie ist die erste feierliche Zulassung zur Eucharistie im Gottesdienst. In den orthodoxen Kirchen werden Menschen mit der Taufe zugleich gefirmt (sog. Myronsalbung) und empfangen die Ersteucharistie. Die orthodoxe Kirche hält an der in der Antike üblichen Praxis der Einheit von Taufe, Salbung/Firmung und Ersteucharistie fest. Wenn bisher ungetaufte Erwachsene sich zur Taufe entschließen, werden sie in der katholischen Kirche in Deutschland ebenfalls sofort gefirmt und erhalten die erste heilige Kommunion. Im Kindesalter werden Taufe, Firmung und Erstkommunion aber getrennt: Die Taufe erfolgt in der Regel im Säuglingsalter, die Erstkommunion üblicherweise im Alter von 9 oder 10 Jahren und die Firmung findet mit 13 oder 14 Jahren statt. Verschiedene christliche Konfessionen kennen ebenfalls die Firmung im Jugendalter, beispielsweise die anglikanische oder neuapostolische Kirche. In der evangelischen Tradition existiert ein ähnlicher Ritus mit der Konfirmation. Diese Segnung markiert, wie die Firmung, den Übergang ins Erwachsenenalter. Dementsprechend werden diese Feste gefeiert. Sie stellen auch im bürgerlichen Sinn wichtige Wegstrecken des Lebens dar.

Mit der Konfirmation oder Firmung ist der Mensch ein vollwertiges Mitglied der jeweiligen Gemeinschaft, mit entsprechenden Rechten und Pflichten. Es handelt sich also mit Taufe und Konfirmation/Firmung um ähnliche Vorgänge wie beim Empfang einer Staatsbürgerschaft und dem Erreichen der Volljährigkeit.

Im gesellschaftlichen Leben spielt die Hochzeit, also das Versprechen der Treue zwischen zwei Menschen, eine wichtige Rolle. Doch unterscheidet sich das religiöse Verständnis der Ehe im Christentum. In der katholischen Kirche spielte die Ehe ab dem 11. Jahrhundert eine zunehmend wichtigere Rolle. Demgegenüber begründet die Hochzeit in anderen Tradition einen weltlichen Bund, der in einer Trauung gesegnet werden kann. Wie das orthodoxe Christentum kennen auch die reformatorischen Kirchen das Prinzip der Scheidung bzw. Auflösung der Ehe. In der katholischen Tradition hat sich demgegenüber ein Eheverständnis herausgebildet, das die Unauflöslichkeit einer gültig geschlossenen Ehe hervorhebt. Das Eheband wird dabei mit dem Bund Gottes mit den Menschen verglichen. Allen Formen gleich ist die Bedeutung der Treue untereinander und zu Gott, die sich in der Ehe als gemeinsamem Lebensweg ausdrücken soll. Deshalb wird die Ehe oft als Entsprechung der göttlichen Liebe zum Menschen gesehen.

Zum menschlichen Leben gehört die Möglichkeit, das Falsche zu tun. Landläufig spricht man davon, „gesündigt“ zu haben. Wie im Judentum besteht auch in den christlichen Traditionen die Überzeugung, durch Umkehr und Buße zu Gott zurückkehren zu können. Während in den reformatorischen Kirchen der einzelne Gläubige, institutionalisiert am „Buß- und Bettag“, durch Buße zu Gott umkehren will, spielt im orthodoxen und katholischen Christentum die Beichte eine wichtige Rolle bei der persönlichen Sündenvergebung und Umkehr zu Gott. Bei allen Formen der Buße geht es darum, den eigenen Lebensweg kritisch zu prüfen. Maßstab dafür ist die Heilige Schrift, besonders das Evangelium, die Frohe Botschaft Christi, aber auch die gesamte Überlieferung. Sinn und Zweck ist es, sich mit dem eigenen Handeln auseinanderzusetzen und darauf zu achten, wo man gegen Gott, gegen die Nächsten, aber auch gegen die eigene, individuelle Person so gehandelt hat, dass daraus Schaden entsteht. Da das Gebot der Gottes- und Nächstenliebe ein zentrales Gebot der Evangelien darstellt, steht die Erfüllung dieses Gebots stellvertretend für das Einhalten von Gottes Wille und den Wunsch nach einem erfüllten Zusammenleben.

Die Zusicherung der Vergebung von Sünden steht im orthodoxen Verständnis der Krankensalbung im Zentrum, die sich an alle Menschen richtet. Viele christliche Konfessionen kennen diese Form der Zuwendung und des Übergangs, doch hat diese Form von Salbung in anderen Konfessionen einen anderen Sinn. In der lutherischen oder katholischen Tradition ist es beispielsweise vor allem die Stärkung und Ermutigung von Kranken und Sterbenden. Der Zuspruch, der gegeben wird, soll im Übergang von Gesundheit, Krankheit und Tod den Glauben an die christliche Auferstehungshoffnung festigen und damit Mut geben, dem eigenen Glauben zu vertrauen.

Das christliche Menschenbild lebt von der Möglichkeit, sich miteinander zu versöhnen – erst recht mit Gott. Lebt der Mensch auch noch so fern von Gott, ihm ist die Möglichkeit geschenkt, zu ihm zurückzukehren. Das christliche Schrifttum ist reich an Bekenntnissen, die Momente der Gottesferne und der Umkehr zu Gott beschreiben. Diese Gnade steht im Zentrum der persönlichen Entwicklung und dem persönlichen Lebensweg. Zentral ist im Christentum aber auch der Gedanke, dass unser irdisches Leben eine Pilgerschaft hin zu Gott ist: Letztlich müssen wir als Sterbliche alle irgendwann vom Leben zum Tod übergehen. Die christliche Hoffnung ist, dass der Tod nicht das letzte Wort hat, sondern wir im Tod ins ewige Leben eingehen. Die Auferstehung jedes Menschen, der an Christus glaubt, ist im Evangelium verheißen. Deshalb gedenken Menschen auch der Toten, im katholischen Glauben gerade am Fest Allerheiligen bzw. am Fest Allerseelen. Das Weiterleben nach dem Tod, das uns Christus zugesagt hat, es ist der Horizont des christlichen Lebenswegs. Er endet damit nicht mit dem Tod, sondern wird in einer Art transformiert, die menschliches Verstehen übersteigt.

Damit ist das christliche Leben kein echter Kreislauf, der – ähnlich wie im Hinduismus oder Buddhismus – von der ewigen Verkettung und Abfolge von Leben und Tod bestimmt ist, sondern ähnlich wie im Judentum von der Hoffnung geprägt, im Tod neues Leben zu erhalten und für immer bei Gott zu sein.

– Dr. Fabian Freiseis. Leiter des Referats und Referent für den Dialog mit dem Judentum und Kulturen des Erzbistums Freiburg.