Namensgebung beziehungsweise Namenstag

Beim Namen gerufen: Namensgebung beziehungsweise Namenstag.


Eine jüdische Stimme

Kurzfassung

Das Judentum misst Namen eine große Bedeutung zu, denn sie sind Ausdruck der Zugehörigkeit eines Individuums zu Familien- und Gemeindetraditionen. Außerdem hegen Eltern die Hoffnung, dass sie ihrem Kind mit einem wohlklingenden, beziehungsreichen Namen ein positives Vorzeichen auf seinen Lebensweg mitgeben. Die Namensgebung ist bei Jungen Teil der Beschneidungszeremonie am 8. Lebenstag. Bei Mädchen wird der Name nach der Geburt im Rahmen einer Torahlesung in der Synagoge verkündet. In den letzten Jahrzehnten ist es üblich geworden, auch für Mädchen ein eigenes Ritual der Namensgebung zu feiern. Viele Kinder haben daneben noch einen „bürgerlichen“ Namen, der ihr offizieller Rufname ist.

Bei der Entscheidung für einen Namen werden häufig je nach regionalem Brauch verstorbene oder lebende Familienmitglieder geehrt, die auf diese Weise symbolisch das Kind durch das Leben begleiten. Daneben stehen eine Fülle biblischer Namen zur Auswahl und auch Namen, die Bezüge zum jüdischen Jahreskreis, zur Natur und zu erwünschten Charaktereigenschaften aufweisen. Die Eltern sind Teil des Namens, denn man wird stets als „X, Sohn/Tochter von Y und Z“ aufgerufen.

– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg


Langfassung

„Ein Name ist besser als gutes Salböl“, so heißt es schon in der Bibel (Pred 7, 1). Natürlich wird dieser gute Name meist als „guter Ruf“ verstanden, also als etwas, das man sich selbst erwirbt in Biographie durch den eigenen Charakter, Taten, Lebensweise. Wir können nicht beeinflussen, in welche Umstände wir hineingeboren werden, ob wir an familiären oder gesellschaftlichen Privilegien teilhaben können, aber es liegt bei uns selbst, was wir aus unseren Gaben machen und welche Werte wir leben wollen. Und diese selbst erworbenen Qualitäten sind wertvoller als ein hoher Status von Geburt her. Das will der von Rabbi Schimon in der Mischnah überlieferte Satz sagen: „Es gibt drei Kronen: Die Krone der Torah, die Krone der Priesterwürde und die Krone des Königtums. Aber die Krone des guten Namens überragt sie“ (Sprüche der Väter 4:13).

Aber auch unsere Rufnamen haben große Bedeutung. Eltern wollen ihren Kindern den Lebensweg ebnen und ein wichtiger Teil dessen ist der Namen, mit dem ein Mensch durch die Welt geht. Viele denken lange über die Wahl des Vornamens nach, denn mit ihm sollen dem Kind Segenswünsche und ein gutes Vorzeichen für das Leben mitgegeben werden. Die Kriterien der Familien sind dabei vielfältig: Ein Name soll gut klingen und er soll eine Zugehörigkeit zu einem Kulturkreis zu erkennen geben (oder auch gerade nicht!). Die Namensgebung ein wichtiger Ausdruck jüdischer Identität und der Selbstverortung im Spannungsfeld von Judentum und Umgebungsgesellschaft. Entsprechend den staatlichen Gesetzen ist der Nachname meist nicht frei wählbar, sondern Ausdruck einer Zugehörigkeit – zu einer Familie oder zum Ehepartner bzw. zur Ehepartnerin.

Jungen erhalten ihren Namen bei der Beschneidung am 8. Lebenstag. Die Verkündung seines Vornamens ist Teil dieser Zeremonie, die mit einem Festmahl begangen wird: „Unser Gott und Gott unserer Vorfahren, erhalte dieses Kind seinem Vater und seiner Mutter, und sein Name möge in Israel …, Sohn des … genannt werden“. Und Mädchen? Traditionellerweise wird der Vater am Schabbat nach der Geburt in der Synagoge zur Torahlesung aufgerufen und verkündet anschließend den Namen seiner Tochter. Dann wird ein Segen über das Kind und die Eltern gesprochen. Das Mädchen und die Mutter sind dabei meist gar nicht anwesend. Um auch die Namensgebung von Mädchen festlicher zu gestalten, als Dank, entstanden in den letzten Jahrzehnten verschiedene Rituale, um die Geburt einer Tochter zu feiern und dabei feierlich ihren Namen zu verkünden. Während die Brit Milah der Jungen normalerweise am 8. Tag stattfindet, ist man hinsichtlich des Zeitpunkts der Namensgebung für Mädchen flexibler – es gibt dafür kein feststehendes Datum, aber im allgemeinen wird sie im ersten Lebensmonat begangen. Verschiedene Bezeichnungen für eine solche Zeremonie sind gebräuchlich, wie Simchat Bat („Freude über die Tochter“), Sewed haBat („Geschenk der Tochter“), Brit haBat („Eintritt der Tochter in den Bund“) oder Britah, als feminisierte Form von „Bundesschluss“.

Jüdische Kinder haben meist zwei Namen, einen „bürgerlichen“ und einen jüdischen. Der „bürgerliche“ Name entstammt der Umgebungskultur, steht in amtlichen Papieren und ist der Rufname in Familie, Schule, Arbeitsstelle und gesellschaftlichem Umfeld. Der jüdische Name hat Bedeutung in religiösen Zusammenhängen: In der Synagoge werden Menschen mit diesem Namen zur Torahlesung aufgerufen, der Name wird in jüdischen Dokumenten wie der Ketubbah (Hochzeitsvertrag) oder dem Get (Scheidebrief) genannt, und auf dem Grabstein sind meist beide Namen vermerkt.

Es gibt verschiedene Motive für die Namenswahl. Im aschkenasischen Judentum ist es Brauch, ein Kind nach verstorbenen Verwandten zu benennen, um diese in Erinnerung zu behalten und gewissermaßen im Neugeborenen weiterleben zu lassen. Zugleich wird das Kind damit sehr wirkungsvoll in eine Beziehung zu seiner Familientradition gebracht. Im sefardischen Judentum sind es hingegen häufig die noch lebenden Großeltern, die auf diese Weise geehrt werden. Diese Benennung nach anderen Menschen kann sich entweder in Namensgleichheit ausdrücken oder durch einen moderneren Namen, der durch Alliteration mit dem historischen Vorbild verbunden ist (z.B. Ron statt Rudolf) oder dieselbe Bedeutung hat (z.B. Dov statt Bär). Wenn Eltern nicht einer solchen Familientradition verpflichtet sind, entscheiden sie sich mitunter für Namen, die das Geburtsdatum widerspiegeln. Kinder, die zu Chanukkah geboren sind, erhalten Namen, die das Wort „Licht“ enthalten (Ornah, Lior/a, Orly). Andere, die zu Pessach auf die Welt kamen, heißen dann manchmal Dror („Freiheit“) oder „Aviv“ (Frühling). Auch israelische Namen sind sehr populär und auch Namen, die aus der Natur stammen (z.B. Ayalah/“Gazelle“, Ilan/“Baum“, Vered/“Rose“ und viele andere mehr). Etliche hebräische Namen geben wünschenswerte Charaktereigenschaften wieder, wie Noam („angenehm“), Alisa („fröhlich“) oder Me’ir („Frieden“). Und natürlich sind biblische Namen sehr beliebt, besonders in religiösen Kreisen, aber auch darüber hinaus. Selbstverständlich spielen bei der Wahl der Namen auch Moden eine Rolle.

Wenn dann ein passender Name gefunden ist, wird er immer mit dem der Eltern kombiniert, z.B. „David ben Aharon“ (David, Sohn des Aharon) oder Esther bat Chaim (Esther, Tochter des Chaim). Bei Aufrufen in der Synagoge, auf Dokumenten und auf Grabsteinen wird traditionell der Name des Vaters genannt. Bei Gebeten um Genesung aber wird der/die Erkrankte mit dem Namen der Mutter bezeichnet, um so die Lebenskraft anzusprechen, die sie dieser Person schon einmal durch Schwangerschaft und Geburt hatte zuteilwerden lassen. In liberalen Kreisen werden Menschen meist mit den Namen beider Eltern aufgerufen.

So wie Eltern bei der Wahl eines Namens für ihr Kind viele Hoffnungen damit verbinden, nämlich dass es damit bestimmte positive Eigenschaften erwirbt, so gibt es auch viel Aberglauben darum. Manchmal wurden und werden Menschen in schwerer Krankheit umbenannt, damit der Todesengel diese Person nicht finden kann.

Auch Menschen, die zum Judentum übertreten, erhalten einen jüdischen Namen. Der Vorname ist dabei meist selbstgewählt, und als Namen der Eltern werden dann Abraham und Sarah angeführt, weil laut der Tradition diese beiden Ahneltern viele Menschen zum Glauben an den Einen Gott herangeführt haben. Konvertiten werden also über Abraham und Sarah ins jüdische Volk adoptiert. Wenn der leibliche Vater aber jüdisch war, wird dessen Name beibehalten.

In einer rabbinischen Überlieferung heißt es (Midrasch Tanchuma, Vajakhel 1):

Ein Mensch wird auf dreierlei Weise beim Namen gerufen:

Ein Name, mit dem ihn sein Vater und seine Mutter rufen,

und ein Name, mit dem ihn die Menschen rufen,

und ein Name, den er sich selbst erwirbt.

Der beste von allen diesen ist der, den er sich selbst erwirbt.   

– Rabbinerin Dr.in Ulrike Offenberg  


#beziehungsweise: jüdisch und christlich – näher als du denkst

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